Die Gletscher in den Cilo-Bergen im Südosten der Türkei gehören zu den ältesten der Welt – doch ihr Ende rückt näher. Wissenschaftler fordern dringend Maßnahmen, um die letzten Überreste dieser Naturwunder zu bewahren. Besucher könnten bald keinen direkten Zugang mehr erhalten.
Gletscher verlieren über die Hälfte ihrer Fläche
Die Cilo-Berge in Hakkari ragen bis auf 4.135 Meter über dem Meeresspiegel empor. Die dortigen Gletscher existieren seit etwa 20.000 Jahren. Doch laut Professor Faruk Alaeddinoğlu von der Van Yüzüncü Yıl Universität haben sie in den letzten 30 Jahren rund 55 Prozent ihrer Fläche eingebüßt.
Er erklärt: „In diesen Höhenlagen ist der Temperaturunterschied im Vergleich zum Flachland deutlich höher. Das führt zu einem schnelleren Abschmelzen.“ Die ehemals 200 Meter dicken Eisschichten seien inzwischen auf unter 50 Meter geschrumpft – und auch dieser Rest bestehe nicht mehr aus stabilem Gletschereis.
Im Inneren der Gletscher entstehen Risse, Tunnel und Hohlräume. Das Eis ist geschädigt und instabil. Alaeddinoğlu warnt: Wenn keine Schutzmaßnahmen getroffen werden, könnten die Gletscher innerhalb von 20 Jahren komplett verschwinden.
Menschliche Aktivität beschleunigt das Schmelzen
Seit ihrer Ernennung zum Nationalpark im Jahr 2020 ziehen die Cilo-Berge jährlich Hunderte Wanderer und Naturfreunde an. Doch genau das wird zum Problem: Viele betreten die Gletscher direkt, was laut Alaeddinoğlu nicht nur gefährlich, sondern auch schädlich ist.
„Die Gletscher müssen abgedeckt und für Besucher gesperrt werden“, fordert er. Menschen sollten sie nur aus der Ferne betrachten und fotografieren. Nur so könne das empfindliche Ökosystem geschützt werden. „Wir wollen nicht, dass zukünftige Generationen diese Gletscher nur noch aus Büchern kennen.“
Ein weltweites Problem – mit globalen Folgen
Auch andere Regionen der Welt kämpfen mit drastischem Gletscherschwund. Laut dem World Glacier Monitoring Service (WGMS) haben Gletscher weltweit seit 1975 rund 9.000 Milliarden Tonnen Eis verloren – das entspricht einem Eisblock von der Größe Deutschlands mit 25 Metern Dicke.
Besonders gravierend war der Eisverlust zwischen 2022 und 2024. Sieben der zehn verlustreichsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen traten seit 2016 auf. Die Weltmeteorologische Organisation (WMO) warnt vor einer Kettenreaktion: vom Anstieg des Meeresspiegels über Überschwemmungen bis hin zu Wasserknappheit.
„Der Schutz der Gletscher ist keine rein ökologische Notwendigkeit“, sagt WMO-Generalsekretärin Celeste Saulo. „Er ist eine Frage des Überlebens.“