Die Niederlande zählen zu den größten Agrarexporteuren der Welt – und zugleich zu Europas Hauptverursachern der Stickstoffkrise. Pro Hektar landet dort dreimal so viel Stickstoff wie im EU-Schnitt. Trotzdem verschob die Regierung das Ziel zur Halbierung der Emissionen von 2030 auf 2035. Damit verstößt sie gegen nationale und europäische Umweltvorgaben, die bis 2050 nahezu null Nitrat-Ausstoß verlangen. Hauptverursacher: die intensive Tierhaltung. In den Niederlanden leben 620 Nutztiere auf 100 Einwohner – auf engem Raum mit gigantischen Güllemengen.
Kosten drücken bäuerliche Existenzen
Bäuerin Nanda van den Pol berichtet, dass ihre 90 Milchkühe täglich 30 Liter Milch und jährlich 3.000 Kubikmeter Gülle erzeugen. Davon kann sie 80 % auf Feldern verteilen – den Rest muss sie teuer entsorgen. Allein 2023 kostete sie das 100.000 Euro. In zwei Jahren rechnet sie mit bis zu 400.000 Euro. Die Auflagen steigen, die Ausbringmenge sinkt. „Wenn das so weitergeht, verlieren wir unseren Familienbetrieb vor 2030“, sagt sie. Obwohl sie Teil der Lösung sein möchte, verhindere die Politik praktikable Wege.
Naturschutzflächen in schlechtem Zustand
Umweltaktivist Max van der Sleen zeigt, wie Schutzgebiete wie die Kwade Hoek unter Stickstoff leiden. Früher wuchsen dort Dünenpflanzen – heute dominieren Brennnesseln. Nur 28 % der niederländischen Natura-2000-Gebiete befinden sich laut Max in gutem Zustand. Die Politik verschiebe Maßnahmen mit dem Argument, soziale Kosten seien zu hoch – obwohl man das Problem seit 40 Jahren kenne. Seine Organisation fordert keine Schließung von Höfen, sondern den Übergang zu nachhaltiger Landwirtschaft – mit politischer Unterstützung.
Fehlende Strategie kostet Natur und Zukunft
Umweltforscher Jan Willem Erisman betont, dass landwirtschaftliche Umstellungen langfristige Prozesse erfordern. Politische Lösungen zielen aber oft auf sofortige Ergebnisse. „Es braucht eine schrittweise Strategie, die Landwirte mitnimmt“, sagt er. Solche langfristigen Programme fehlen bislang. Die Folge: steigende Kosten für Landwirte, geschädigte Ökosysteme und gefährdete Klimaziele. Die entscheidende Frage bleibt: Kommt der Wandel rechtzeitig – und wer zahlt den Preis für das Zögern?