Luftfahrt bis 2050 CO2-neutral: Ist das realistisch und was bedeutet es für die Flugpreise?

by Silke Mayr
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Die Vision einer CO2-neutralen Luftfahrt bis 2050 ist ehrgeizig – Experten warnen jedoch vor höheren Kosten für die Passagiere, um dieses Ziel zu erreichen.

Stellen Sie sich vor, Sie steigen in Ihr Flugzeug und wissen, dass Ihr Ticket günstig ist, Ihr Gepäck sicher verstaut wurde und der Pilot verspricht, dass der Flug keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt hat.

Das ist die Vision von „Jet Zero“ – einer Zukunft, in der die Luftfahrt vollständig CO2-neutral wird, dank neuer Technologien und Maßnahmen zur Emissionskompensation. Dieser Plan wurde 2022 unter der Regierung von Boris Johnson entwickelt und steht im Einklang mit dem rechtlich bindenden Ziel des Vereinigten Königreichs, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Die Labour-Regierung hat das Ziel übernommen und zusätzlich festgelegt, dass alle Inlandsflüge und Flughafenbetriebe im Vereinigten Königreich bis 2040 emissionsfrei sein sollen.

Doch wie realistisch ist es, dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen? Und was wird es Passagiere kosten?

Die Dimension des Problems

Die Herausforderung ist gewaltig. Ein einzelner Passagier auf einem Flug von London nach New York erzeugt 309 kg CO2 – eine Menge, die ungefähr einem Jahr Arbeit von zehn ausgewachsenen Bäumen entspricht.

Würde man diese Zahl global auf die Luftfahrtindustrie anwenden, müssten jedes Jahr etwa 100 Milliarden Bäume gepflanzt werden, um die Emissionen auszugleichen. Allein für Großbritannien würde man einen Wald brauchen, der fast so groß ist wie Wales.

Angesichts dieser Dimension stellt sich die Frage, wie realistisch es ist, dass „Jet Zero“ bis 2050 erreicht wird. Und wie viel teurer wird das Fliegen für die Passagiere?

Anthony Browne, der in diesem Jahr noch Luftfahrtminister war, äußerte sich zuversichtlich, dass eine Ticketpreiserhöhung nur „marginal“ sein würde und die meisten Verbraucher keinen spürbaren Unterschied bemerken würden.

Doch Experten wie Sir Dieter Helm, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Oxford, sind skeptisch und warnen davor, dass höhere Kosten unausweichlich sind.

„Es wird definitiv höhere Kosten geben“, sagte Helm. „Die Regierungen wollen den Leuten nicht sagen, dass sie für diese Veränderungen bezahlen müssen.“

Letztlich hängen die Kosten davon ab, welche Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen ergriffen werden.

Fortschritte bei Technologie und Treibstoff

Die Strategie von Jet Zero setzt stark auf technologische Innovationen, betriebliche Effizienzsteigerungen und den Einsatz alternativer Kraftstoffe.

Die Luftfahrt hat seit Jahrzehnten Fortschritte bei der Reduzierung des Treibstoffverbrauchs gemacht. 1969 kam der erste Hochbypass-Turbofan-Motor im Boeing 747 zum Einsatz, und seitdem gab es zahlreiche Innovationen. Ein Beispiel ist der Einsatz von „Sharklets“ – gebogenen Flügelspitzen, die den Luftwiderstand verringern und den Treibstoffverbrauch um durchschnittlich 4 % pro Flug reduzieren.

Ein weiteres vielversprechendes Projekt ist der UltraFan-Motor von Rolls-Royce, der den Treibstoffverbrauch um 10 % senken soll.

„Dank des Getriebes kann die Turbine schneller und effizienter laufen, während der Fan langsamer läuft und viel größer sein kann“, erklärt Simon Burr von Rolls-Royce.

Der UltraFan wurde 2023 erstmals getestet, wird aber voraussichtlich erst in den 2030er Jahren in kommerziellen Flugzeugen eingesetzt. Auch wenn eine Verbesserung von 10 % beeindruckend ist, wird dies die Luftfahrtindustrie nicht revolutionieren.

Da die CO2-Emissionen der Luftfahrt hauptsächlich aus der Verbrennung von fossilen Brennstoffen stammen, wurde auch der „Sustainable Aviation Fuel“ (SAF) entwickelt – ein alternativer Treibstoff aus erneuerbarer Biomasse und Abfallmaterialien.

Der erste SAF-Flug fand 2008 zwischen London und Amsterdam statt und verwendete einen Treibstoff, der aus einer Mischung brasilianischer Babassu-Nüsse und Kokosnüssen gewonnen wurde. Die britische Regierung hat sich das Ziel gesetzt, bis 2040 22 % des Kerosins im Luftverkehr aus nachhaltigen Quellen zu beziehen. Aber auch dieser Ansatz hat seine Herausforderungen.

In Großbritannien wird SAF derzeit vor allem aus gebrauchtem Speiseöl hergestellt, das häufig aus Asien importiert wird – was mit weiteren CO2-Emissionen durch den Transport verbunden ist.

„Es ist schwer vorstellbar, dass es einen wirklich nachhaltigen Luftfahrtkraftstoff gibt“, sagte Helm. „Es gibt Kraftstoffe, die weniger umweltschädlich sind als die derzeit verwendeten, aber der Aufwand, dies in großem Maßstab umzusetzen, ist gewaltig.“

Optimierung der Flugrouten

Ein weiterer Ansatz zur Emissionsreduktion besteht darin, die Flugrouten zu optimieren, sodass Flugzeuge direkter fliegen und weniger Treibstoff verbrauchen.

Derzeit fliegen die meisten Flugzeuge auf Routen, die durch ein Netzwerk von Funkfeuern festgelegt werden, von denen viele Jahrzehnte alt sind. Diese Routen sind oft nicht die kürzesten, aber „Luftraummodernisierung“ würde es ermöglichen, direktere Flugrouten zu fliegen.

Durch den Einsatz von Satellitentechnologie können Flugzeuge, die den Atlantik überqueren, nun theoretisch bis zu 14 Meilen auseinander fliegen, was die Flugrouten verkürzen und den Treibstoffverbrauch senken würde.

Die Jet-Zero-Strategie schätzt, dass durch diese und andere Effizienzmaßnahmen die Emissionen bis 2050 um bis zu 15 % reduziert werden könnten. Die National Air Traffic Services (NATS) warnen jedoch, dass diese Änderungen sehr komplex sind und viele Jahre in Anspruch nehmen werden.

„Es ist ein sehr komplizierter Prozess“, warnt Chris Norsworthy, Direktor für Zukunftsplanung bei NATS. „Solche Infrastrukturänderungen benötigen Jahre der Planung und Vorbereitung.“

Der Wettlauf um Elektroflugzeuge

Ein weiteres vielversprechendes Projekt ist die Entwicklung von Elektroflugzeugen. Stephen Fitzpatrick, ein britischer Erfinder, arbeitet in der Nähe von Bristol seit sieben Jahren an einem innovativen Flugzeug, das auf Lithium-Ionen-Batterien wie Elektroautos angewiesen ist. Das von ihm entwickelte Flugzeug, der VX4, hat acht Propeller und sieht aus wie eine riesige Drohne, verbraucht jedoch keinen Treibstoff.

Die Herausforderung besteht darin, dass die Batterien mit 800 kg relativ schwer sind, was die Reichweite des Flugzeugs einschränkt. Zu Beginn wird der VX4 nur etwa 100 Meilen weit fliegen können. Fitzpatrick hofft jedoch, dass die Batterietechnologie in den kommenden Jahren so weit entwickelt wird, dass hybridbetriebene Flugzeuge mit Wasserstoff-Brennstoffzellen die Reichweite erhöhen.

Langstreckenflüge mit Elektroflugzeugen bleiben jedoch in naher Zukunft unrealistisch. „Es gibt derzeit keine Batterietechnologie, die genug Energie liefern kann, um Hunderte von Passagieren über den Atlantik zu fliegen“, räumt Fitzpatrick ein.

Wasserstoffbetriebene Flugzeuge könnten jedoch eine praktikablere Lösung sein. Das Unternehmen ZeroAvia plant, in den nächsten zwei bis drei Jahren ein 80-sitziges Wasserstoffflugzeug in Betrieb zu nehmen. Auch Airbus arbeitet an einem ähnlichen Konzept. Diese Flugzeuge sind jedoch Propellerflugzeuge mit begrenzter Reichweite.

Kosten für Passagiere

Laut den Schätzungen der Regierung werden die Verbesserungen bei SAF, Treibstoffeffizienz und emissionsfreien Flugzeugen nur etwa ein Drittel der erforderlichen Emissionseinsparungen ausmachen. Daher umfasst die Jet-Zero-Strategie auch ein Preismodell, bei dem Fluggesellschaften für ihre CO2-Emissionen zahlen und diese ausgleichen müssen.

Bereits heute zahlen Fluggesellschaften eine Abgabe auf jedes Ticket, die an die Passagiere weitergegeben wird. Diese Abgabe variiert zwischen £7 für Inlandsflüge und £92 für Langstreckenflüge. Das Kompensieren der CO2-Emissionen wird jedoch zusätzliche Kosten verursachen.

Einige Kompensationsprogramme sind umstritten, insbesondere in Bezug darauf, wie effektiv sie sind. Cait Hewitt, Politikdirektorin der Aviation Environment Federation, befürchtet, dass aktuelle Kompensationsprojekte möglicherweise den falschen Eindruck erwecken, dass die Emissionen tatsächlich ausgeglichen werden.

Duncan McCourt, Geschäftsführer von Sustainable Aviation, einer Dachorganisation für britische Fluggesellschaften, Flughäfen und Hersteller, ist jedoch optimistisch. Er glaubt, dass die Entfernung von CO2 aus der Luftfahrt keine signifikanten Mehrkosten für Passagiere verursachen wird.

„Wir sind der Ansicht, dass wir dies erreichen können, ohne den Flugreisenden erheblich mehr zu kosten“, sagt McCourt. „Es geht darum, dies auf eine Weise zu tun, die die Vorteile der Luftfahrt für alle zugänglich hält.“

Letztlich wird die Umsetzung von Jet Zero für die Passagiere höhere Kosten mit sich bringen – die Frage ist jedoch, wie hoch diese Kosten tatsächlich ausfallen und ob es gelingt, das CO2-Ziel für 2050 zu erreichen.

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