Kanadas Autoindustrie gerät durch Handelskonflikt mit den USA in ernste Turbulenzen

by Silke Mayr
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Stellantis stoppt Produktion – in Windsor wächst die Angst

In Windsor, Ontario, breitet sich große Unsicherheit aus, nachdem Stellantis einen Produktionsstopp angekündigt hat.
Das Unternehmen begründet die Pause mit den neuen US-Zöllen, die Präsident Donald Trump eingeführt hat.

Derek Gungle, einer von 4.500 Beschäftigten, sagt, er habe mit dem Stillstand bereits gerechnet.
Viele in Windsor teilen dieses Gefühl, denn die Stadt bildet Kanadas Automobilzentrum.
Sie liegt direkt an der Grenze zu Michigan, wo beide Länder lange gemeinsame Fahrzeuge entwickelten.
Jahrelang entstanden dort Modelle wie der Ford F-150 in gemeinsamer Produktion beider Staaten.

Beschäftigte in Windsors Autoindustrie äußerten am Donnerstag ihre Sorgen um die eigene Zukunft.
Die neuen US-Zölle in Höhe von 25 % auf ausländische Fahrzeuge treffen sie unmittelbar.
Kanada erhält einen Teilnachlass, wenn über 50 % der Autoteile aus den USA stammen.
In solchen Fällen fällt der Zoll auf 12,5 %.

Christina arbeitet seit 25 Jahren im Ford-Werk in Windsor und befürchtet ebenfalls eine Schließung.
Sie beschreibt die Situation als zutiefst beängstigend, besonders wegen ihrer vier Kinder.
Eines studiert derzeit an einer Universität, das jüngste ist erst zwölf Jahre alt.
Mit Tränen in den Augen sagt sie, sie wünsche ihren Kindern ein gutes Leben.

Kanadas Regierung kontert mit eigenen Strafzöllen

Premierminister Mark Carney kündigte als Reaktion eigene Zölle auf US-Fahrzeuge an.
Kanada erhebt ebenfalls 25 % auf Autos aus amerikanischer Produktion, die im Land verkauft werden.
Für Fahrzeuge im Rahmen des Nordamerikanischen Handelsabkommens gelten geringere Zölle auf nicht-kanadische Teile.

Im Unterschied zu den USA verzichtet Kanada auf Zölle bei importierten Autoteilen.
„Unsere Regierung passt ihre Strategie an die der USA an“, erklärte Carney am Donnerstag gegenüber Medien.

Carney betonte außerdem, dass Kanada Unternehmen von den Zöllen befreien will, wenn sie im Land investieren.
Auch andere Parteichefs äußerten während des Wahlkampfs eigene Vorschläge für Lösungen.

Pierre Poilievre von den Konservativen fordert die Abschaffung der Steuer auf neue kanadische Fahrzeuge.
Er glaubt, dass dadurch die Nachfrage nach inländischen Autos deutlich steigen würde.
Jagmeet Singh von der NDP möchte sogenannte „Victory Bonds“ ausgeben, um die Wirtschaft zu stärken.
Diese Anleihen sollen helfen, den heimischen Markt während des Handelskonflikts zu stabilisieren.

Komplexe Lieferketten geraten aus dem Gleichgewicht

Nordamerikas Autoindustrie ist durch enge grenzüberschreitende Abläufe miteinander verbunden.
Ein Fahrzeug überquert vor der Endmontage oft mehrfach die Grenzen zwischen Mexiko, Kanada und den USA.
Beim Ford F-150 stammt der Motor aus Kanada, Elektronik aus Mexiko, und die Endmontage erfolgt in den USA.

Stellantis’ Ankündigung betrifft Beschäftigte in allen drei Ländern unmittelbar.
Das Werk in Windsor – früher bekannt als Chrysler-Werk – pausiert für zwei Wochen.
In Toluca, Mexiko, steht die Produktion einen Monat still, in den USA verlieren 900 Personen ihren Job.

Für Kanada ist der wirtschaftliche Schaden erheblich.
93 % der in Kanada produzierten Fahrzeuge – rund 1,6 Millionen Stück – gehen in die USA.
Auch kanadische Autoteile, die in den USA verbaut werden, unterliegen nun den vollen US-Zöllen.

Mahmood Nanji, früher im Finanzministerium von Ontario tätig, rechnet mit höheren Preisen für Verbraucher.
Selbst mit ermäßigtem Zoll könnten Modelle wie der Chevrolet Silverado um 8.000 $ teurer werden.

„Autohändler werden große Schwierigkeiten beim Verkauf dieser Fahrzeuge haben“, sagt Nanji.
Er befürchtet einen starken Nachfragerückgang auf beiden Seiten der Grenze.

Zudem warnt er vor großem Verwaltungsaufwand durch die komplizierten neuen Zollregelungen.
Unternehmen und Grenzbehörden müssten nun klären, wie diese Regelungen im Detail umgesetzt werden.

Chad Lawton aus Windsor hofft auf baldige Verhandlungen zur Aufhebung der Strafzölle.
Er sagt, beide Länder sollten ein Abkommen schließen, um Massenentlassungen zu verhindern.

Gleichzeitig fordert Lawton, dass Kanada Haltung zeigt und sich nicht einfach fügt.
Seiner Ansicht nach muss das Land entschlossen handeln und seine Interessen selbstbewusst vertreten.

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