Jugend in Verantwortung: Wie Flick den FC Barcelona neu formte

by Silke Mayr
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Ein Aufbruch mit Symbolkraft

1995 bezweifelte ein Kommentator öffentlich, dass man mit jungen Spielern Titel gewinnen könne. Manchester United widerlegte diese Einschätzung eindrucksvoll. Heute stehen ähnliche Zweifel im Raum – doch Barcelonas junger Kader unter Hansi Flick liefert beeindruckende Antworten. Nach dem 2:0-Erfolg gegen Espanyol und dem Copa-del-Rey-Sieg im April ist der spanische Double-Gewinn Realität geworden.

Flick formte aus Talenten wie Lamine Yamal (17), Pau Cubarsí (18) und Pedri (22) ein Team, das mit Mut, Spielfreude und Angriffslust begeistert. Fußballfans weltweit vergleichen die junge Generation bereits mit der goldenen Ära unter Pep Guardiola.

Aus finanzieller Not entsteht sportlicher Reichtum

Barcelona kämpfte zuletzt mit massiven finanziellen Problemen. Transfers waren kaum möglich, Spielerregistrierungen schwierig. Diese Situation zwang den Klub, auf Eigengewächse zu setzen. Statt zu klagen, nutzte Flick diese Ausgangslage, um junge Spieler ins Zentrum seines Projekts zu stellen.

Mit einem Altersdurchschnitt von nur 25 Jahren ist Barcelona das jüngste Team der Liga. Flick erkannte die Chance in der Krise – und baute gezielt um.

Vertrauen als taktischer Schlüssel

Als Flick das Traineramt übernahm, herrschte Verunsicherung im Kader. Stars wie Robert Lewandowski, Raphinha und Frenkie de Jong fühlten sich unter Xavi nicht wertgeschätzt. Raphinha wurde regelmäßig früh ausgewechselt, Lewandowski spielte in einer für ihn ungewohnten Rolle, De Jong fühlte sich zum Verkauf gedrängt.

Flick machte von Anfang an klar, dass er auf diese Spieler baut. Lewandowski erzielte seither 25 Tore, Raphinha traf 18 Mal in der Liga. Gleichzeitig förderte Flick den Nachwuchs intensiv: Gavi, Yamal, Alejandro Balde und Marc Casado erhielten nicht nur Einsatzzeiten, sondern auch Verantwortung – bis hin zur Musikauswahl in der Kabine.

Der Trainer blieb auch in Kontakt mit jenen, die selten spielten. Er erklärte, dass durch Verletzungen jeder seine Chance erhalten würde – und stand zu seinem Wort.

Wenig Transfers, viel Wirkung

Flick verlangte keine große Transferoffensive. Nur Dani Olmo und Pau Victor kamen im Sommer, im Winter verzichtete er komplett auf Neuzugänge. Er setzte auf seine Spieler – und auf Kommunikation. Vor jeder Rotation sprach er mit Leistungsträgern wie Raphinha oder Yamal. Das schuf Vertrauen und Zusammenhalt.

Trotz medialem Druck, besonders in der Phase mit nur fünf Punkten aus sieben Spielen vor Weihnachten, blieb Flick ruhig und glaubwürdig. Er veränderte den Ton – nicht die Vision.

Schlüsselspiele formten das Gerüst

Das spektakuläre 5:4 gegen Benfica in der Champions League offenbarte Flicks stärkstes Team. Raphinha wurde dabei zum Führungsspieler. In der Abwehr übernahm Íñigo Martínez Verantwortung. Obwohl der 33-Jährige nie zuvor in einer hoch stehenden Verteidigung gespielt hatte, passte er sich an – mit Disziplin und Klarheit.

Yamal verlangt jede Aktion, jede Entscheidung. Doch Flick zeigt ihm Grenzen auf. Wer nicht mitarbeitet, sitzt draußen – egal wie groß das Talent. Beim Clasico gegen Real Madrid gewann Yamal mehr Bälle als Barcelonas Innenverteidiger – und sogar mehr als Pedri, der für seine Balleroberungen berüchtigt ist.

Kollektiv statt Einzelkämpfer

Flick etablierte eine Mannschaft, die gemeinsam denkt und handelt. Yamal, Raphinha und De Jong bilden ein Führungstrio, das das Team lenkt. Flick liefert die Struktur, die Spieler füllen sie mit Leidenschaft. Er ist der Stratege – die Mannschaft seine geschlossene Formation.

Ordnung und Disziplin: Flicks Prinzipien

Unpünktlichkeit duldet Flick nicht. Jules Koundé wurde dreimal auf die Bank gesetzt, Inaki Peña verpasste ein Halbfinale nach zu spätem Erscheinen. Auch die Zeiten luxuriöser Kleidung sind vorbei – alle reisen im offiziellen Vereinsoutfit.

Flick selbst wirkt befreit. Nach einer Hüftoperation kehrte er schmerzfrei zum Fußball zurück. Ohne körperliche Beschwerden arbeitet er fokussierter, ausgeglichener – und mit voller Energie.

Noch nicht am Ziel

Trotz aller Erfolge bleibt Flick realistisch. 24 Gegentore in 14 Champions-League-Spielen und das Aus vor dem Finale zeigen Defizite. Ziel der kommenden Saison ist es, mehr Kontrolle zu erlangen – ohne das kreative Offensivspiel zu verlieren.

Flick bleibt der Architekt dieses Projekts. Sein Vertrag läuft noch ein Jahr, eine Verlängerung scheint möglich – doch langfristige Verträge reizen ihn nicht. Er konzentriert sich auf das Hier und Jetzt.

Aus einer Krise entstand bei Barcelona etwas Großes. Junge Spieler übernahmen Verantwortung – und ein erfahrener Trainer leitete sie zur Spitze.

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