Ziel: Abhängigkeiten abbauen und Kreml wirtschaftlich schwächen
BRÜSSEL – Das Europäische Parlament hat neue Einfuhrzölle auf Düngemittel und landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Russland und Belarus beschlossen. Die Maßnahme soll einerseits die wirtschaftliche Eigenständigkeit der EU im Agrarsektor stärken und andererseits verhindern, dass russische Exporte weiterhin Einnahmen für den Krieg gegen die Ukraine generieren.
Die neuen Zölle treten am 1. Juli in Kraft. Besonders betroffen sind stickstoffhaltige Düngemittel, deren Abgaben schrittweise von derzeit 6,5 % auf bis zu 100 % steigen sollen. Die Importmenge, die derzeit rund 25 % des EU-Bedarfs deckt und jährlich etwa 1,3 Milliarden Euro beträgt, dürfte dadurch stark zurückgehen.
Auch Lebensmittelimporte wie Fleisch, Milchprodukte, Obst und Gemüse aus Russland und Belarus werden künftig deutlich teurer, was weitere 380 Millionen Euro an Handelsvolumen betrifft.
Politisches Signal und strategische Neuausrichtung
Neben ökonomischen Motiven verfolgen die Zölle auch ein klares politisches Ziel. Russland finanziert Teile seines Militärapparats durch Exportabgaben auf Düngemittel. Für viele Abgeordnete ist daher klar: Wer in der EU weiterhin russische Produkte bezieht, unterstützt indirekt den Krieg in der Ukraine.
„Wir müssen aufhören, Moskaus Krieg mit unseren Agrarausgaben zu finanzieren“, sagte die lettische Abgeordnete Inese Vaidere, die für den Gesetzesentwurf zuständig war. Sie warnt zudem vor der Gefahr eines plötzlichen Lieferstopps durch Russland.
Industrie begrüßt Entscheidung – Bauern schlagen Alarm
Fertigungsbetriebe und Branchenverbände wie FertilizersEurope sehen in der Entscheidung einen notwendigen Schritt zur Stärkung der europäischen Unabhängigkeit. Präsident Leo Alders sagte: „Jetzt ist schnelles Handeln gefragt, um Versorgungsketten und Arbeitsplätze zu sichern.“
Doch aus der Landwirtschaft kommen kritische Stimmen. Bauernverbände befürchten einen weiteren Anstieg der Betriebskosten. Cédric Benoist von der französischen FNSEA warnt: „Die Preise für Düngemittel steigen bereits – eine Verdopplung gegenüber vor fünf Jahren ist Realität. Weitere Belastungen können viele Betriebe kaum noch tragen.“
Markt reagiert nervös – Preise steigen vorab
Nach Angaben aus der Branche halten einige Hersteller derzeit Lieferungen zurück, in Erwartung höherer Preise nach Inkrafttreten der Zölle. Diese Zurückhaltung führt schon jetzt zu Preisanstiegen und erschwert die Planbarkeit für Landwirte.
EU zwischen politischem Kurs und landwirtschaftlicher Realität
Mit der neuen Zollpolitik setzt die EU ein deutliches Zeichen in Richtung Russland. Doch sie bringt zugleich kurzfristige Risiken für Europas Bauern mit sich. Die Herausforderung für Brüssel besteht nun darin, außenpolitische Zielsetzungen mit der wirtschaftlichen Belastbarkeit des Agrarsektors in Einklang zu bringen.