Scharfe Kritik an Rückschritten bei Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit
Die Außenminister der Europäischen Union haben in einer gemeinsamen Erklärung ihre „tiefe Besorgnis“ über die politische Lage in Georgien geäußert. Anlass ist ein aktueller Fortschrittsbericht des Europäischen Parlaments zum Beitrittsprozess des Landes, in dem Abgeordnete massive Rückschritte bei der Rechtsstaatlichkeit und einen zunehmenden Einfluss Russlands auf die georgische Regierung beklagen.
Einflussnahme Russlands und Einschränkung der Opposition im Fokus
Laut EU-Parlament mehren sich die Sorgen über den wachsenden russischen Einfluss in der Südkaukasusregion. Besonders kritisch sehen die europäischen Institutionen die jüngsten Verhaftungen oppositioneller Politiker und unabhängiger Journalist:innen.
Nach der umstrittenen Parlamentswahl vom 26. Oktober kam es landesweit zu Protesten gegen die Regierungspartei „Georgian Dream“, die sich erneut die Mehrheit sicherte. Die Opposition wirft der Regierung Wahlbetrug vor. Die EU verweist auf eine „systematische Einschränkung der Meinungsfreiheit“ und warnt vor einem demokratischen Rückschritt.
EU fordert Freilassung inhaftierter Oppositioneller
In ihrer Erklärung verurteilen die EU-Außenminister die Festnahmen als politisch motiviert. Diese trügen zur „Zerschlagung demokratischer Strukturen“ bei und seien Anzeichen für eine autoritäre Entwicklung, die im Widerspruch zu europäischen Werten stehe.
Die Minister fordern die sofortige Freilassung aller unrechtmäßig Inhaftierten und rufen die georgische Regierung auf, den Dialog mit allen gesellschaftlichen Kräften zu suchen.
Regierungspartei weist Kritik zurück
Die georgische Regierungspartei bestreitet die Vorwürfe. Ihr Generalsekretär Kakha Kaladze erklärte, dass die Justiz unabhängig agiere und Politiker nicht über dem Gesetz stünden. Die Anschuldigungen der EU wies er als „politisch motivierte Einmischung“ zurück.
Beziehung zu Europa vor Zerreißprobe
In ihrer Erklärung betonen die EU-Außenminister, dass sich das Verhältnis zu Tiflis deutlich verschlechtert habe. Der aktuelle Kurs der Regierung stelle „eine Bedrohung für Georgiens demokratische Errungenschaften“ dar.
Georgien hatte im März 2022 zusammen mit der Ukraine und Moldau den EU-Beitrittsantrag gestellt und im Dezember 2023 den Kandidatenstatus erhalten. Nur wenige Monate später geriet der Prozess ins Stocken – aus Brüssel hieß es zuletzt, man habe die Erweiterungsgespräche vorerst eingefroren.
Georgien betont geopolitische Bedeutung
Georgiens Premierminister Irakli Kobakhidze hatte im Mai gegenüber Euronews betont, dass sein Land eine „zentrale Rolle für Europa“ spiele. Vor allem für die Energiesicherheit und geopolitische Stabilität sei Georgien ein unverzichtbarer Partner. Dennoch rücken Tiflis und Brüssel angesichts der innenpolitischen Entwicklungen weiter voneinander ab.