Die geplante Absenkung der Preisgrenze für russisches Öl ist nach dem enttäuschenden G7-Treffen faktisch vom Tisch. Der jüngste Sanktionsvorschlag der EU gegen Moskau stößt vor dem Gipfel der 27 Staats- und Regierungschefs auf politische Hürden. Zwei neue Streitpunkte erschweren die Einigung.
Die erste Streitfrage betrifft die Ölpreisgrenze für russisches Exportöl per Schiff. Die EU-Kommission wollte den bisherigen Wert von 60 auf 45 Dollar je Fass senken. Ziel war, Moskaus Energieeinnahmen zu kürzen, die den Angriffskrieg gegen die Ukraine finanzieren.
Im Gegensatz zu anderen Strafmaßnahmen stimmten die G7-Staaten diesen Preisgrenzen ursprünglich gemeinsam mit den USA zu. Beim diesjährigen G7-Treffen in Kanada zeigte US-Präsident Donald Trump jedoch keine Unterstützung für die Anpassung. Er verließ das Treffen sogar vorzeitig.
Seit seiner Rückkehr ignorierte Trump westliche Forderungen nach verschärftem Druck auf Moskau. Gleichzeitig weigert sich Putin, Trumps Forderung nach einer einmonatigen Waffenruhe zu akzeptieren. Ohne Rückendeckung der USA zögert die EU mit Alleingängen, um das mühsam aufgebaute Projekt nicht zu gefährden.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen relativierte zum Ende des Gipfels die Dringlichkeit der Maßnahme. Sie verwies auf steigende Ölpreise durch den Israel-Iran-Konflikt. Der bestehende Deckel funktioniere derzeit, betonte sie. Außenbeauftragte Kaja Kallas vertritt jedoch die gegenteilige Sicht. Sie warnt: Russland profitiere finanziell vom Nahostkrieg und könne so die Ukraine-Invasion fortsetzen.
Die Kommission hält laut Sprecher am Sanktionspaket fest, das auch Finanzsektor, Nord-Stream-Leitungen und Schattenflotten betrifft. Doch mehrere EU-Staaten bleiben uneins über die Ölpreisfrage. Ohne Einstimmigkeit wird die geplante Absenkung scheitern.
Energiepolitik spaltet die EU weiter
Ein zweiter Streitpunkt betrifft Ungarn und die Slowakei. Beide Länder verknüpfen das neue Sanktionspaket mit dem Vorschlag, russische Energielieferungen bis 2027 komplett zu beenden.
Diese sogenannte Ausstiegsstrategie zielt auf Pipelinegas und Flüssiggas aus Russland, das 2023 fast ein Fünftel des EU-Verbrauchs ausmachte. Die Kommission schlug vor, das Ende der Importe als energiepolitische Maßnahme mit qualifizierter Mehrheit zu beschließen – ohne Veto.
Ursula von der Leyen kündigte das Ende russischer Energie für Europa an. Ungarn und die Slowakei kritisierten jedoch den Zeitplan scharf. Sie fürchten steigende Preise, Versorgungsprobleme und den Verlust nationaler Entscheidungsfreiheit.
Da sie den Ausstieg rechtlich nicht blockieren können, nutzen beide Länder das Sanktionspaket als Druckmittel. Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó erklärte, sein Land wolle keine zusätzlichen Lasten für ungarische Familien zulassen.
Der slowakische Außenminister Juraj Blanár forderte Sicherheiten, um mögliche negative Folgen für sein Land abzufedern. Konkrete Forderungen nannte er nicht. Diplomaten vermuten: Ein spezieller Hilfsfonds könnte beiden Ländern beim Energiewechsel helfen.
Entscheidende Verhandlungen stehen bevor
Das 18. Sanktionspaket soll beim EU-Gipfel am Donnerstag auf den Tisch kommen. Ungarns Premier Viktor Orbán und sein slowakischer Kollege Robert Fico wollen ihre Anliegen durchsetzen.
Orbán ist bekannt für seine taktischen Forderungen und verknüpft oft nationale Interessen mit Zustimmung zu EU-Beschlüssen. Trotzdem zeigen sich Diplomaten optimistisch, dass eine Einigung vor dem Ende der polnischen EU-Ratspräsidentschaft am 30. Juni gelingt.
Polens Staatssekretär Ignacy Niemczycki sagte am Dienstag, man erwarte Fortschritte nach dem Gipfel. Er betonte, Ungarn und die Slowakei verfolgten zwar ähnliche Ziele, wählten aber unterschiedliche Wege. Das könne den Spielraum für Kompromisse vergrößern.