Historische Aufnahmen durch ESA/NASA-Mission Solar Orbiter
Zum ersten Mal in der Geschichte der Raumfahrt ist es gelungen, den bislang unerforschten Südpol der Sonne bildlich festzuhalten. Möglich machten dies Aufnahmen der gemeinsamen ESA/NASA-Mission Solar Orbiter, die Mitte März aus einem Neigungswinkel von 15° unterhalb des Sonnenäquators aufgenommen wurden.
„Heute zeigen wir der Menschheit die ersten Bilder vom Sonnenpol“, sagte Prof. Carole Mundell, Wissenschaftsdirektorin der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Die 1,3 Milliarden Dollar teure Mission, die 2020 startete, markiert damit den Beginn einer neuen Ära der Sonnenforschung.
Magnetisches Mosaik am Sonnenpol – Schlüssel zum Sonnenzyklus
Die Bilder enthüllen ein chaotisches Muster aus magnetischen Nord- und Südpolen in der Sonnenatmosphäre – ein Phänomen, das bisher nur in Modellen angenommen, aber nie direkt beobachtet wurde. „Die Sonnenpole waren bis jetzt buchstäblich terra incognita“, sagte Prof. Sami Solanki vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, der das Instrument zur Messung des Magnetfelds leitet.
Diese Entdeckung ist von zentraler Bedeutung für das Verständnis des elfjährigen Sonnenzyklus, bei dem das Magnetfeld der Sonne seine Polarität umkehrt. Während dieser Phase, dem sogenannten solaren Maximum, treten besonders viele Sonnenflecken und -eruptionen auf, die potenziell Störungen in Satelliten- und Stromnetzen auf der Erde verursachen können.
Vom Modell zur Realität: Die dynamische Natur der Sonne
Die Sonnenoberfläche rotiert nicht einheitlich: Am Äquator dauert eine Umdrehung etwa 26 Tage, an den Polen rund 33 Tage. Dieses Ungleichgewicht verdreht die magnetischen Feldlinien, bis sie instabil werden und Nord- und Südpol ihre Plätze tauschen. „Alles, was die Sonne tut – von der Strahlung bis zu gewaltigen Eruptionen – hängt mit ihrem Magnetfeld zusammen“, betonte Prof. Lucie Green vom Mullard Space Science Laboratory der UCL.
Der Solar Orbiter wird bis Ende 2026 eine Umlaufbahn mit 17° Neigung beibehalten, bevor ein weiterer Vorbeiflug an der Venus die Neigung auf 24° anhebt. Im Jahr 2029 soll schließlich ein Winkel von 33° erreicht werden – ein weiterer Meilenstein für die Beobachtung der Polarregionen der Sonne.
Ziel: Bessere Vorhersagen solarer Aktivität
Bis heute ist es Wissenschaftlern nicht möglich, genau vorherzusagen, wann und mit welcher Intensität die Sonne ihr nächstes Aktivitätsmaximum erreicht. Die neuen Daten vom Südpol könnten künftig helfen, die Modelle zu verfeinern und die Auswirkungen auf Erde und Technik besser vorherzusehen. Die aktuelle Forschung bietet also nicht nur neue Einblicke in unser Zentralgestirn, sondern ist auch von großer praktischer Bedeutung für die Raumfahrt und moderne Infrastruktur auf der Erde.