Mehr als 24.000 industrielle Tierhaltungsanlagen registriert – Umwelt und Artenvielfalt unter Druck
Brüssel/London – In Europas Landwirtschaft vollzieht sich ein leiser, aber tiefgreifender Wandel: Die Zahl großindustrieller Tierhaltungsbetriebe ist auf über 24.000 angestiegen. Diese sogenannten Megafarmen nach amerikanischem Vorbild prägen zunehmend das Bild ländlicher Regionen – mit teils drastischen Folgen für Umwelt und Tierwohl.
Besonders stark betroffen ist Großbritannien, das inzwischen 1.824 dieser Anlagen zählt. Davon sind 1.553 reine Geflügelbetriebe – nur Frankreich weist mehr auf. Auch Spanien, Deutschland, Italien und die Niederlande gehören zu den Spitzenreitern beim Ausbau intensiver Tierhaltung.
Von Kleinbetrieb zu Massenproduktion
Laut EU-Definition gelten Betriebe als intensiv, wenn sie mehr als 40.000 Hühner, 2.000 Mastschweine oder 750 Zuchtsauen halten. Während diese Anlagen zunehmen, schrumpft die Zahl kleiner bäuerlicher Betriebe rapide.
Diese Entwicklung bleibt nicht folgenlos: Forscher beobachten einen Rückgang bei Vögeln, Schmetterlingen und Bäumen. In einigen Regionen – wie dem Wye-Tal in Großbritannien – leben mittlerweile 79 Hühner pro Einwohner.
Regelverstöße weit verbreitet, Kontrollen folgenlos
Allein in England wurden zwischen 2015 und 2023 fast 7.000 Umweltverstöße durch Megabetriebe dokumentiert. Behörden kontrollieren wöchentlich im Schnitt 17 Anlagen – in drei Vierteln der Fälle entdecken sie Missstände.
Dazu zählen beschädigte Güllegruben, überbelegte Ställe und sogar Vorfälle mit Luftverschmutzung oder Gewässerbelastung. Dennoch ziehen diese Verstöße kaum Konsequenzen nach sich: Weniger als 1 % der schwersten Fälle wurden zur Anklage gebracht.
Rufe nach einem Richtungswechsel in der EU
Terry Jermy, Abgeordneter in South West Norfolk, fordert ein Umdenken: „Wenn Landwirtschaft Zukunft haben soll, braucht sie ökologische Verantwortung und Tierwohl als Grundpfeiler.“ Ein Megabetrieb in seinem Wahlkreis wurde zuletzt wegen Umweltrisiken gestoppt.
Auch aus Brüssel wächst der Druck: Reineke Hameleers von der Eurogroup for Animals ruft die EU-Kommission zum Handeln auf. „Die Realität widerspricht den Versprechen nachhaltiger Landwirtschaft. Die Förderpolitik muss sich ändern.“
Die Industrialisierung der Tierhaltung schreitet europaweit voran – oft im Schatten der öffentlichen Wahrnehmung. Doch mit wachsenden ökologischen und ethischen Herausforderungen wird das Thema zum Prüfstein künftiger Agrarpolitik.