Der Dreamliner verliert seine makellose Bilanz
Der Absturz einer Air-India-Maschine in Ahmedabad hat die makellose Sicherheitsbilanz des Boeing 787 Dreamliner abrupt beendet. Noch im vergangenen Monat feierte Boeing den milliardsten Passagier auf diesem Flugzeugtyp – ein beachtlicher Meilenstein seit dem Start der Produktion vor 14 Jahren. Der Dreamliner galt als bewährter Träger des weltweiten Langstreckenverkehrs und wurde wegen seiner Zuverlässigkeit geschätzt.
Keine Parallelen zum Skandal um die 737 Max
Bei dem verunglückten Flugzeug handelt es sich nicht um das Modell 737 Max, das durch zwei tödliche Abstürze in Indonesien und Äthiopien weltweite Kritik auf sich zog.
Ein Softwarefehler war für die Katastrophen verantwortlich, woraufhin das Modell für 18 Monate global am Boden blieb.
Im aktuellen Fall in Indien gibt es bisher keinen Hinweis auf ein technisches Versäumnis durch Boeing. Die Flugdatenschreiber – sogenannte Black Boxes – müssen nun analysiert werden, um den genauen Hergang zu klären.
Ein Pilot erklärte, dass technische Mängel heutzutage nur selten zu Abstürzen führen. Mit Ausnahme der gravierenden Probleme der 737 Max seien menschliche Fehler im Cockpit die Hauptursache tödlicher Flugunfälle.
Wiederholte Rückschläge für Boeing
In der zivilen Luftfahrt sitzen Passagiere fast immer in Maschinen von Boeing oder Airbus – zwei Unternehmen, die den Markt beherrschen. Dennoch steht Boeing erneut mit einem tragischen Vorfall in Verbindung.
Das Unternehmen sprach den Angehörigen, der Crew sowie den Einsatzkräften sein Mitgefühl aus und sicherte enge Zusammenarbeit mit Air India zu.
Nach Börseneröffnung in New York fielen die Boeing-Aktien um fünf Prozent.
Die Katastrophe trifft einen Konzern, der im vergangenen Jahr monatlich fast eine Milliarde Dollar verlor. Grund dafür waren eine Serie von Qualitätsmängeln, Sicherheitsbedenken sowie ein siebeneinhalbwöchiger Streik.
Nach einem dramatischen Zwischenfall im Jahr 2024 – bei dem sich während eines Alaska-Airlines-Flugs eine Tür aus der Verankerung löste – zahlte Boeing 160 Millionen Dollar Entschädigung.
Zuvor hatte sich der Konzern mit Southwest Airlines auf 428 Millionen Dollar geeinigt – ein Ausgleich für die finanziellen Schäden durch das Grounding der 737-Max-Flotte.
Interne Kritik und externe Ermittlungen
Neben finanziellen Verlusten leidet Boeing unter wachsendem Vertrauensverlust und internen Vorwürfen. Im April meldete der Konzern Fortschritte bei Qualität und Sicherheit – als Ergebnis gezielter Maßnahmen.
Ein früherer Qualitätsmanager, der über 30 Jahre bei Boeing tätig war, warf dem Unternehmen vor, unter Druck minderwertige Bauteile zu verbauen. Diese Enthüllungen machte er gegenüber einem renommierten internationalen Medium, das nicht erwähnt werden soll. Der Mitarbeiter nahm sich im März des Vorjahres das Leben. Boeing bestritt die Vorwürfe.
Ein weiterer Whistleblower, Ingenieur Sam Salehpour, erklärte gegenüber US-Politikern, er sei nach der Meldung von Sicherheitsbedenken bedroht worden.
Boeing teilte mit, Vergeltung werde strikt geahndet. Man sehe in dem über 500-prozentigen Anstieg interner Meldungen ein positives Signal für eine offenere Unternehmenskultur.
Gleichzeitig läuft gegen Boeing eine juristische Aufarbeitung der Abstürze in Indonesien und Äthiopien.
Im Mai einigte sich der Konzern mit dem US-Justizministerium auf eine Strafzahlung, um einem Strafprozess zu entgehen.
Zur Enttäuschung der Hinterbliebenen gestand Boeing ein, die Ermittlungen der US-Luftfahrtbehörde behindert zu haben, und erklärte sich zur Zahlung von über 1,1 Milliarden Dollar bereit.
In den letzten zwei Jahren wurde die Führungsebene von Boeing grundlegend erneuert. Der neue Vorstandschef Kelly Ortberg, der aus dem Ruhestand zurückkehrte, soll das Unternehmen neu ausrichten.
Er versprach eine sicherheitsorientierte Neuausrichtung und äußerte sich zuletzt optimistisch hinsichtlich der künftigen Rentabilität.
Doch mit dem Absturz in Ahmedabad steht Boeing erneut am Scheideweg.