Rückzug angekündigt, Eskalation geliefert
Elon Musk erklärte kürzlich, sich aus der politischen Arena zurückziehen zu wollen. Anleger schöpften Hoffnung, er würde sich wieder voll seinen Technologieunternehmen widmen.
Doch der anschließende, medienwirksame Schlagabtausch mit Donald Trump, inklusive öffentlicher Enthüllungen über interne Abläufe im Weißen Haus, machte schnell klar: Musk bleibt nicht im Hintergrund – im Gegenteil, er sucht die Bühne.
Anstatt sich auf die Entwicklung von Tesla, SpaceX oder X zu konzentrieren, provoziert Musk seinen wichtigsten Regierungspartner. Die Folge: Ein möglicher Boykott durch die US-Bundesbehörden, einem seiner größten Auftraggeber.
Die Börse reagierte sofort. Teslas Aktie fiel am Donnerstag um 14 Prozent – ausgelöst durch Musks Anti-Trump-Tiraden auf X.
Zwar erholte sich der Kurs am Freitag leicht, doch die Nervosität unter Investoren bleibt. Viele hatten gehofft, Musk würde sich von Social Media zurückziehen und sich wieder auf operative Aufgaben konzentrieren.
Technologische Rückstände statt Fortschritt
Doch nicht nur der politische Streit bringt Tesla in Bedrängnis. Branchenkenner warnen schon länger vor strukturellen Problemen.
Tech-Journalistin Kara Swisher formulierte es beim Media Summit in San Francisco deutlich: „Tesla ist nicht mehr führend. Sie haben in der Entwicklung autonomer Fahrzeuge den Anschluss verloren.“
Während Waymo – die Tochter von Alphabet – schon seit Jahren fahrerlose Taxis in US-Städten betreibt, hat Tesla bislang nur Testläufe vorzuweisen.
Im Juni plant Musk, in Austin, Texas, die ersten eigenen Robo-Taxis einzuführen. Auf X verkündete er, das Modell Y werde bereits ohne Fahrer getestet.
Dan Ives, Analyst bei Wedbush Securities, sagte: „Rund 90 Prozent des künftigen Werts von Tesla hängen an autonomen Systemen und Robotik.“
Der Marktstart in Austin könne zu einem Wendepunkt werden – vorausgesetzt, Musk bündelt seine Energie auf die Sache. Genau daran zweifeln viele aktuell.
Glaubwürdigkeitsverlust in der Finanzwelt
Im Silicon Valley wächst der Eindruck, Musk könnte die Kontrolle über seine Firmen und deren öffentliche Wahrnehmung verlieren.
Ross Gerber, CEO von Gerber Kawasaki Wealth and Investment Management, sagte: „Früher wollte er beweisen, dass Elektroautos und Raumfahrt machbar sind – heute wirkt er zerstreut.“
Gerber war lange Großinvestor bei Tesla, hat jedoch seit Musks politischer Polarisierung seinen Anteil reduziert.
Die Attacken gegen Trump kommentierte er so: „Es ist strategisch unklug, sich mit dem mächtigsten Mann des Landes öffentlich anzulegen.“
Doch auch abseits des Machtkampfs mit Trump sieht sich Musk Protesten ausgesetzt.
Unter dem Hashtag #TeslaTakedown formierte sich eine landesweite Bewegung gegen ihn und seine Firmen.
Im ersten Quartal 2025 verzeichnete Tesla einen Absatzrückgang von 20 Prozent, der Gewinn brach um mehr als 70 Prozent ein.
Linda Koistinen, eine Demonstrantin vor einem Tesla-Händler in Berkeley, erklärte: „Musk darf nicht durch politische Einflussnahme unser demokratisches System gefährden.“
Joan Donovan, Mitbegründerin der Proteste, ergänzte: „Es geht um Musks Machtfülle und die fehlende Transparenz – nicht nur um die Technik.“
Besonders kritisch sehen viele seine Rolle bei der Plattform X, früher bekannt als Twitter.
„Er besitzt nun das Werkzeug, Millionen in Sekunden zu erreichen und zu beeinflussen“, sagte Donovan.
Kann ein Imagewandel gelingen?
Manche Experten sehen im Bruch mit Trump eine potenzielle Chance für Musk.
Patrick Moorhead, Chefanalyst bei Moor Insights & Strategy, meint: „In den USA verzeihen die Menschen schnell – ein Reputationswandel ist möglich.“
Kara Swisher verglich Musk mit Bill Gates, der einst als rücksichtsloser Machtmensch galt und sich zum angesehenen Philanthropen wandelte.
„Gates lernte aus seinen Fehlern. Das kann Musk auch – wenn er will“, sagte Swisher.
Doch sie schränkte ein, Musk zeige bisher wenig Einsicht – und seine politischen Eskapaden schaden seinem Ruf zunehmend.
Gefahr für milliardenschwere Raumfahrtverträge
Musk gerät nicht nur wegen Tesla unter Druck. Auch SpaceX könnte durch die Auseinandersetzung mit Trump leiden.
Trump hatte Musk einst als Unterstützer gebraucht – insbesondere für Wahlkampfmittel. Dank eigener Krypto-Projekte scheint er nun finanziell unabhängiger.
Ökonom Noah Smith glaubt: „Trump will sich von Musks Einfluss lösen.“
Er drohte damit, sämtliche Regierungsverträge mit Musk zu beenden – ein Gesamtvolumen von rund 38 Milliarden US-Dollar.
Ein Großteil davon betrifft SpaceX, das NASA-Aufträge für Raumtransporte übernimmt.
Tatsächlich ist SpaceX jedoch so eng in das US-Raumfahrtprogramm eingebunden, dass ein kurzfristiger Ersatz kaum möglich wäre.
Die Raumfähre Dragon transportiert regelmäßig Fracht und Menschen zur Internationalen Raumstation – aktuell befinden sich dort drei amerikanische Astronauten.
Auch Starlink, Musks Satelliteninternetdienst, ist tief in militärische Netzwerke integriert.
Trotzdem scheint Musk seine eigene Position überschätzt zu haben.
Während des Streits mit Trump kündigte er an, Dragon außer Betrieb zu nehmen – nur um wenig später zurückzurudern.
Seine Antwort auf einen Ratschlag eines X-Nutzers lautete: „Guter Hinweis. Wir werden Dragon nicht einstellen.“
Das einstige Bündnis zwischen Musk und Trump ist zerbrochen – ihre gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit jedoch bleibt bestehen.
Ob Musk sein Firmenreich stabilisieren kann, wird auch davon abhängen, wie Trump in den kommenden Monaten handelt.