Wirtschaft zeigt Zurückhaltung: Unternehmen dämpfen Pride Month Präsenz

by Silke Mayr
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Regenbogen verschwinden aus den Schaufenstern

In den vergangenen Jahren präsentierten sich zahlreiche große Marken während des Pride Month besonders farbenfroh. Regenbogenflaggen dominierten Schaufenster, Eingänge boten T-Shirts und Tassen mit LGBTQ-Symbolen. Firmen änderten Logos in sozialen Medien und zeigten Spenden an queere Organisationen öffentlich.

In diesem Jahr bleibt diese öffentliche Unterstützung vielerorts aus. Unternehmen wirken zurückhaltender – fast schon still.


Weniger Sichtbarkeit aus politischer Vorsicht

Laut einer Umfrage von Gravity Research unter mehr als 200 Führungskräften wollen 39 Prozent der Unternehmen ihre Pride-Aktivitäten deutlich reduzieren. Das betrifft unter anderem das Sponsoring von Pride-Events, das Posten LGBTQ-freundlicher Inhalte in sozialen Netzwerken und den Verkauf themenbezogener Produkte.

Der Hauptgrund liegt laut Studie im politischen Druck durch Donald Trump und sein Umfeld. Behörden drohen mit Überprüfungen von Firmen, die Diversitäts- und Inklusionsprogramme betreiben. Unternehmen befürchten nicht nur politische Repressionen, sondern auch negative Reaktionen konservativer Kundschaft.

Viele Marken kürzen zudem ihre Werbebudgets angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheit, ausgelöst durch Trumps Zollpolitik. Dennoch geben die meisten Befragten den politischen Druck als entscheidenden Faktor für ihren Kurswechsel an.

„Die politische Führung und ihre Anhänger setzen die Standards“, sagte Luke Hartig, Präsident von Gravity Research. „Der Druck auf Unternehmen, sich aus gesellschaftlichen Debatten herauszuhalten, wächst deutlich.“


Rückzug aus der Öffentlichkeit statt sichtbarer Solidarität

Dieser Strategiewechsel bedeutet eine deutliche Abkehr von den Pride-Offensiven vergangener Jahre. Viele Unternehmen nutzen den Juni nicht mehr zur öffentlichkeitswirksamen Unterstützung der LGBTQ-Community, sondern streichen auch interne Diversitätsprogramme – unter dem Einfluss republikanischer Politik und konservativer Aktivisten.

Queere Interessenvertretungen schlagen Alarm: Die politische Einflussnahme erschwere Innovation, Fachkräftegewinnung und internationale Wettbewerbsfähigkeit. Zudem verlieren Unternehmen potenzielle Kundschaft. Inzwischen identifizieren sich 9,3 Prozent der US-Erwachsenen als LGBTQ.

„Die Regierung missbraucht Institutionen wie das Justizministerium und die Gleichstellungsbehörde, um inklusive Firmen einzuschüchtern“, erklärte Eric Bloem, Vizepräsident der Human Rights Campaign Foundation. „Dieses Klima schadet nicht nur Unternehmen, sondern auch Mitarbeitenden.“

Zahlreiche Firmen beteiligen sich inzwischen nicht mehr am Bewertungsprogramm der Organisation für LGBTQ-freundliche Arbeitgeber.

„Wer bei Gegenwind einknickt, verspielt Integrität und langfristige Bindung“, betonte Bloem.


Boykotte und Gegenwind beeinflussen Geschäftsentscheidungen

Zahlreiche Unternehmen bereiten sich auf öffentliche Reaktionen vor. 65 Prozent entwickeln laut Gravity Research bereits Strategien gegen mögliche Proteste. Große Einzelhändler wie Walmart, Target oder Kroger warnen ihre Investoren vor potenziellen Risiken durch gesellschaftspolitische Themen.

Insbesondere die Fälle Bud Light und Target haben Spuren hinterlassen. Bud Light arbeitete 2023 mit der trans Influencerin Dylan Mulvaney zusammen – danach folgten Boykottaufrufe, Verkaufsrückgänge und harsche Kritik, sowohl von konservativer als auch von queerer Seite.

Target geriet im selben Jahr wegen LGBTQ-Produkten unter Beschuss. Mitarbeitende wurden bedroht, Transgender-Badeanzüge aus dem Sortiment entfernt. Falschbehauptungen, diese seien für Kinder gedacht, verbreiteten sich rasant. Die Folge: Umsatzeinbrüche und Klagen konservativer Gruppen.

Target reagierte mit einem Rückzug: Pride-Produkte erschienen nur noch in ausgewählten Filialen – das volle Angebot blieb online verfügbar.


Weniger Präsenz – mehr intern

Auch 2024 hält Target an dieser vorsichtigen Linie fest. Laut einer internen Mitteilung bietet das Unternehmen eine Auswahl von Produkten in ausgewählten Filialen an – darunter Artikel für Zuhause, Kleidung, Musik und Haustiere. Die gesamte Kollektion ist nur online erhältlich.

Ein Unternehmenssprecher betonte intern: „Wir engagieren uns für Inklusion – für Mitarbeitende, Kunden, Lieferpartner und unsere Gemeinden.“

Ein leitender Angestellter berichtete jedoch anonym, dass das Engagement weniger sichtbar sei. Die Begeisterung unter Mitarbeitenden und Kundschaft habe spürbar nachgelassen. „Unsere Ausrichtung folgt offenbar der politischen Linie der Regierung“, sagte die Quelle.

Weitere Unternehmen ziehen sich ebenfalls zurück. Kohl’s spendete im Vorjahr 100.000 Dollar an The Trevor Project und präsentierte eine Pride-Kollektion. Dieses Jahr gab es weder Ankündigungen noch Antworten auf Anfragen.

Macy’s unterstützte 2023 LGBTQ-Initiativen mit Schaufensteraktionen, Spendenkampagnen und Auftritten bei Pride-Paraden. Auch dieses Jahr unterstützt Macy’s ähnliche Aktionen – allerdings ohne öffentliche Kommunikation.

Nordstrom, Gap und weitere Marken zeigen sich derzeit ungewohnt zurückhaltend.


Interne Förderung bleibt – öffentliche Stille nimmt zu

Trotzdem bedeutet der leise Ton nicht zwangsläufig einen Rückzug aus LGBTQ-Fragen.

„Ich sehe keinen Abbruch der Unterstützung, sondern eine neue Taktik“, sagte Sarah Kate Ellis von der Organisation GLAAD. Unternehmen wollten nicht zum Ziel politischer Debatten werden wie Target oder Bud Light.

Viele verlagern ihr Engagement auf interne Strukturen. Sie stärken gezielt Programme zur Mitarbeiterbindung und internen Sichtbarkeit.

Nur 14 Prozent der befragten Firmen wollen laut Gravity Research ihre Pride-Aktivitäten intern einschränken. Gleichzeitig wächst der Druck innerhalb der Belegschaften.

„Unternehmen investieren heute weniger in Events – dafür aber gezielter in die strukturelle Verankerung von LGBTQ-Themen“, sagte Ellis. „So bleibt die Unterstützung bestehen, auch wenn sie weniger sichtbar ist.“

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