Lehrergewerkschaft warnt vor Überforderung und fordert Start erst 2025
Flüchtlingskinder ohne schulische Vorerfahrung sollen künftig in speziellen Orientierungsklassen auf den Einstieg ins Regelschulsystem vorbereitet werden. Die Pflichtschullehrergewerkschaft befürwortet den Ansatz grundsätzlich, schlägt jedoch Alarm: Der akute Mangel an Personal und Ressourcen gefährde eine erfolgreiche Umsetzung.
Vorsitzender Paul Kimberger fordert daher einen Start frühestens mit dem Schuljahr 2025/26, um ausreichend Zeit für Planung, Aufbau von Unterstützungssystemen und die Sicherstellung qualifizierter Betreuung zu schaffen.
Praktische Umsetzung bleibt unklar – Sorge um Belastung der Schulen
Geplant ist, dass betroffene Kinder und ihre Eltern zunächst zu einem Orientierungsgespräch eingeladen werden. Wenn grundlegende Fähigkeiten – etwa im sprachlichen, motorischen oder sozialen Bereich – fehlen, können Kinder für bis zu sechs Monate einer Orientierungsklasse zugewiesen werden.
Lehrervertreter sehen hier viele Stolpersteine: Wie sollen diese Gespräche ablaufen, wenn Sprachbarrieren bestehen oder das Schulsystem fremd ist? Gibt es genug Dolmetscher? Und wie geht man mit Eltern um, die nicht erscheinen oder nicht kooperieren?
Besonders kritisch sehen die Gewerkschaften die mögliche Zusammenlegung von Kindern unterschiedlicher Altersgruppen in einer Klasse sowie den zusätzlichen organisatorischen Aufwand für Schulleitungen, vor allem in urbanen Gebieten mit hoher Zuwanderung.
Psychologinnen, Länder und Gemeinden fordern klare Konzepte und Mittel
Auch der Berufsverband der PsychologInnen fordert, dass bei der Einschätzung von Kindern unbedingt psychologische Expertise eingebunden wird – um falsche Zuweisungen und Stigmatisierungen zu verhindern. Gerade geflüchtete Kinder hätten oft unerkannte psychische Belastungen oder besonderen Förderbedarf.
Die Industriellenvereinigung plädiert für den Einsatz von Fachkräften in Sprachförderung und interkultureller Pädagogik. Zudem sollten auch überforderte Kinder aus Deutschförderklassen in Orientierungsklassen wechseln können.
Das Netzwerk Sprachenrechte warnt vor einer Ausweitung des kritisierten Modells der Deutschförderklassen und sieht offene Fragen bei Einstufungskriterien und Personalqualifikation.
Finanzielle und organisatorische Verantwortung noch nicht geklärt
Tirol und Vorarlberg fordern klare Zusagen zur Finanzierung – die Umsetzung dürfe nicht zu Lasten der Länder erfolgen. Auch Gemeinden, die für Infrastruktur zuständig sind, betonen den zusätzlichen Raumbedarf und verlangen Unterstützung vom Bund.
Das Finanzministerium fordert eine einheitliche Umsetzung und regt eine begleitende Evaluierung an. Auch das Bundeskanzleramt verlangt mehr Details zur praktischen Umsetzung der Maßnahme.
Fazit: Die Idee der Orientierungsklassen stößt auf breite Zustimmung – doch ohne klares Konzept, ausreichende Finanzierung und professionelles Personal droht das Projekt zum Belastungstest für das Bildungssystem zu werden.