Brüssel setzt auf CO₂-Speicherung, doch Umsetzung hinkt hinterher

by Rudolph Angler
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Die EU setzt CCS ein, um Emissionen energieintensiver Branchen spürbar zu senken.
Bis 2030 sollen jährlich 50 Millionen Tonnen CO₂ gespeichert werden, bis 2040 sogar 280 Millionen Tonnen.
Um das zu erreichen, muss Europa die CCS-Infrastruktur deutlich ausbauen.
Derzeit arbeiten nur fünf CCS-Anlagen in Europa und fangen 2,7 Millionen Tonnen jährlich ein.
63 Prozent dieser Menge stammen aus norwegischen Anlagen – außerhalb der EU.

CCS trennt CO₂ von Industrieprozessen, verflüssigt es und bringt es per Pipeline oder Schiff unter die Erde.
Laut WWF gefährdet diese einseitige Strategie Investitionen in erneuerbare Energien und Effizienzmaßnahmen.
Die EU fördert CCS stark, besonders in der Zementbranche – meist ohne Alternativen zu prüfen.

Reporter untersuchten drei EU-geförderte Projekte: Northern Lights, Pycasso und Callisto.
Ihre Analyse zeigt massive Kosten, knappe Transportmittel und unrealistische Ausbauziele.

Norwegisches Vorzeigeprojekt kämpft mit Engpässen

Northern Lights startet noch 2024 mit Shell, Equinor und TotalEnergies als Betreiber.
Die Anlage will jährlich 1,5 Millionen Tonnen CO₂ speichern – von Firmen wie Yara, Orsted und Heidelberg Materials.
Zwei Spezialschiffe sollen das CO₂ nach Øygarden bringen, wo es per Pipeline ins Nordsee-Gestein gepresst wird.

Laut Wood Mackenzie kostet Lagerung und Transport pro Tonne rund 145 US-Dollar (128 Euro).
Die IEA schätzt Abscheidungskosten auf 30 US-Dollar (27 Euro) pro Tonne – etwa für Ammoniakproduktion.
Yara müsste jährlich bis zu 178 Millionen Euro investieren, nur um Teilmengen eines Standorts zu erfassen.
Damit lägen die Kosten nahe am gesamten europäischen Jahresgewinn des Unternehmens.

Northern Lights bestellte zwei weitere CO₂-Schiffe für 2026, deckt damit aber nicht den wachsenden Bedarf.
Vier Schiffe reichen kaum aus, um Zeitpläne einzuhalten – Wetter oder Defekte bringen weitere Risiken.
Nach jedem Entladevorgang müssen Tanks aufwendig mit trockenem CO₂ gespült werden – das erhöht Aufwand und Kosten.

Italiens CCS-Projekt Callisto gerät unter Druck

Callisto will Europas größtes CO₂-Speichernetz rund ums Mittelmeer errichten.
Die Betreiber Eni, Snam und Air Liquide wollen Industrieemissionen aus Italien und Frankreich unter dem Adriatischen Meer lagern.
Italien leitet das CO₂ über Pipelines, Frankreich verschifft es um die Halbinsel – ein komplexer Weg.

Die nötige Infrastruktur – Schiffe, Leitungen, Anlagen – verschlingt Milliarden.
Mit rund 80 Euro je Tonne liegt der aktuelle ETS-Preis zu niedrig für ein tragfähiges Geschäftsmodell.
EU-Experte Roberto Bencini warnte: „Lange Transportwege treiben die Kosten über jede Wirtschaftlichkeitsgrenze.“

Hinzu kommen massive Preisschwankungen beim ETS, die Investoren abschrecken.
„Niemand investiert 15 Jahre ohne garantierten Preis“, sagte Eadbhard Pernot von der Zero Emissions Platform.
Nur Projekte mit sogenannten Differenzverträgen sichern sich staatlich garantierte Mindestpreise.
Ohne diese Absicherung droht CCS-Projekten das wirtschaftliche Aus bei jeder Marktschwankung.

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