Wissenschaftler entdecken neuen Teil des Immunsystems

by Silke Mayr
0 comments

Ein verborgener Teil unseres Immunsystems könnte genutzt werden, um neue Antibiotika zu entwickeln. Forscher haben herausgefunden, dass eine bisher unbekannte Funktion in unseren Körperzellen eine Vielzahl bakterienabtötender Substanzen freisetzt.

Proteasomen als geheime Waffenkammer

Wissenschaftler in Israel haben entdeckt, dass ein für das Recycling von Proteinen bekanntes Zellorganell eine bisher unbekannte Schutzfunktion besitzt. Es erkennt, wenn eine Zelle von Bakterien befallen wurde, und schaltet dann in einen neuen Betriebsmodus. Dabei verwandelt es alte Proteine in antimikrobielle Waffen, die die Bakterienhülle zerstören und die Erreger abtöten.

Diese Entdeckung verändert das Verständnis darüber, wie unser Körper Infektionen abwehrt. Zudem bietet sie einen neuen Ansatzpunkt für die Entwicklung dringend benötigter Antibiotika gegen resistente Supererreger.

Der Fund dreht sich um das Proteasom, eine winzige Struktur, die in jeder Körperzelle vorhanden ist. Normalerweise zerlegt es alte Proteine in kleinere Bestandteile, um sie für den Bau neuer Proteine wiederzuverwenden. Doch die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Experimente zeigen, dass das Proteasom zusätzlich als Verteidigungsmechanismus gegen bakterielle Infektionen dient.

Sobald es eine Infektion erkennt, verändert es seine Struktur und Funktion. Anstatt Proteine nur zu recyceln, produziert es aus ihnen Moleküle, die die Bakterienhülle aufbrechen und die Erreger unschädlich machen.

Neue Hoffnung im Kampf gegen resistente Keime

Prof. Yifat Merbl vom Weizmann-Institut für Wissenschaft erklärte: „Das ist wirklich aufregend, weil wir bisher nicht wussten, dass dieser Prozess existiert. Wir haben einen völlig neuen Immunmechanismus entdeckt, der unseren Körper vor bakteriellen Infektionen schützt. Er findet in allen Zellen statt und erzeugt eine ganz neue Klasse natürlicher Antibiotika.“

Um diese natürlichen Antibiotika zu identifizieren, verwendete das Forschungsteam eine Technik, die sie „Mülltauchen“ nannten. Die gefundenen antimikrobiellen Substanzen wurden sowohl im Labor als auch an Mäusen mit Lungenentzündung und Blutvergiftung getestet. Die Ergebnisse waren vergleichbar mit bereits etablierten Antibiotika.

In weiteren Experimenten blockierten die Wissenschaftler die Funktion des Proteasoms in Zellkulturen. Die infizierten Zellen waren daraufhin deutlich anfälliger für Erreger wie Salmonellen.

Prof. Daniel Davis, Leiter der Lebenswissenschaften und Immunologe am Imperial College London, bezeichnete die Entdeckung als „äußerst provokativ und sehr spannend“. Sie zeige einen bisher unbekannten Mechanismus, durch den unsere Zellen antimikrobielle Moleküle herstellen.

Er betonte jedoch, dass es noch einige Zeit dauern werde, bis aus dieser Erkenntnis tatsächlich neue Medikamente entwickelt werden können. „Es ist eine vielversprechende Idee, aber sie muss noch intensiv getestet werden.“

Eine goldene Chance für die Antibiotikaforschung

Weltweit sterben jährlich mehr als eine Million Menschen an Infektionen, die gegen herkömmliche Antibiotika resistent sind. Trotz dieses wachsenden Problems wird zu wenig in die Entwicklung neuer Wirkstoffe investiert.

Vor diesem besorgniserregenden Hintergrund sehen einige Forscher in dieser Entdeckung einen Hoffnungsschimmer.

Dr. Lindsey Edwards, Mikrobiologin am King’s College London, erklärte der BBC: „Das ist eine potenzielle Goldgrube für neue Antibiotika – wirklich aufregend. Früher suchten wir im Boden nach neuen Wirkstoffen, aber jetzt finden wir sie in uns selbst. Es hängt alles davon ab, ob wir die Technologie haben, um diese Mechanismen zu entdecken.“

Da diese antimikrobiellen Substanzen bereits vom menschlichen Körper produziert werden, könnten sie sich möglicherweise leichter in Medikamente umwandeln lassen. „Die Sicherheitsbewertung könnte viel einfacher sein“, fügte sie hinzu.

Diese neue Forschungsrichtung könnte ein entscheidender Schritt sein, um die globale Bedrohung durch antibiotikaresistente Keime zu bekämpfen.

You may also like