Geheimvertrag von Gazprom: OMV könnte laut Rechtsexperten aus dem Vertrag aussteigen

by Silke Mayr
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Zivilrechtsprofessor Andreas Kletečka hatte die Möglichkeit, den Gasliefervertrag zwischen der österreichischen OMV und dem russischen Energieriesen Gazprom einzusehen. Er sieht eine mögliche Kündigung des Vertrages durch die OMV, da Gazprom die Lieferungen gestoppt hat.

Der Gasliefervertrag zwischen der OMV und Gazprom sorgte immer wieder für Diskussionen, doch bis jetzt gab es nur wenig Klarheit über die Details. Fragen wie die Höhe der Zahlungen der OMV für das russische Gas oder unter welchen Umständen ein Ausstieg aus dem Vertrag möglich wäre, blieben weitgehend unbeantwortet. Nun bringt ein Mitglied der Gas-Unabhängigkeitskommission des Klimaschutzministeriums, Andreas Kletečka, Licht in die Sache. Der Zivilrechtsprofessor hat den geheimen Vertrag unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen geprüft und kommt zu dem Schluss, dass ein Ausstieg für die OMV möglich wäre.

Schweden als Vertragsrechtliche Grundlage

Bisher war nur bekannt, dass der Vertrag eine sogenannte Take-or-Pay-Klausel enthält, wonach die OMV das Gas bezahlen muss, selbst wenn sie es nicht abnimmt. Allerdings könnte auch die OMV aus dem Vertrag aussteigen, wenn Gazprom seiner Lieferverpflichtung nicht nachkommt. Laut Kletečka ist dies durch die Wahl des schwedischen Rechts als Grundlage des Vertrags möglich. Schweden, wie viele andere Rechtsordnungen, erlaubt es, den Vertrag zu kündigen, wenn der Lieferant seine Verpflichtungen nicht erfüllt. Kletečka erklärt, dass die OMV, nachdem Gazprom die Lieferungen gestoppt hat, unter diesen rechtlichen Bedingungen den Vertrag kündigen könnte.

Der Jurist hatte die Gelegenheit, den Vertrag unter strengen Sicherheitsvorkehrungen im Klimaschutzministerium zu überprüfen, wobei er keine weiteren Details öffentlich machen darf. In internationalen Verträgen ist es üblich, eine neutrale Rechtsordnung zu wählen, die unabhängig von den beiden Vertragspartnern ist. Im Falle von OMV und Gazprom wurde schwedisches Recht festgelegt. „Im schwedischen Recht ist es wie in vielen anderen Rechtsordnungen: Wenn der Lieferant seine Lieferung nicht rechtzeitig erbringt, kann man vom Vertrag zurücktreten“, so Kletečka. Da Gazprom die Lieferungen gestoppt hat, könnte dies einen Ausstieg der OMV ermöglichen.

Verlauf der Ereignisse und rechtliche Konsequenzen

Die OMV hatte Gazprom bereits 2022 in einem Schiedsverfahren wegen unzureichender Gaslieferungen in Deutschland erfolgreich verklagt und rund 230 Millionen Euro an Schadensersatz erhalten. Daraufhin gab die OMV am 13. November 2024 bekannt, dass sie keine Zahlungen mehr für die Gaslieferungen nach Österreich leisten werde und das Schiedsgerichtsurteil zur Durchsetzung des Schadensersatzes nutzen wolle. In Reaktion darauf stellte Gazprom die Lieferungen am 16. November 2024 ein – ein Schritt, der laut Kletečka einen Vertragsbruch darstellt.

Kletečka sieht nun die Möglichkeit, dass die OMV den Vertrag kündigen könnte, wenn Gazprom eine Nachfrist zur Lieferung gesetzt wird und diese nicht einhält. Auf wiederholte Anfragen des STANDARD zu den nächsten Schritten in dieser Angelegenheit wollte sich die OMV nicht äußern und verwies auf ihre „juristische Strategie“. Möglicherweise könnte Gazprom das Schiedsurteil anfechten, was zu einem weiteren Verfahren führen würde, in dem die Chancen für die OMV gut stünden, so Kletečka.

Noch kein offizieller Beschluss der Kommission

Kletečka betont, dass seine Einschätzung zur Möglichkeit eines Ausstiegs aus dem Vertrag seine persönliche Meinung ist. Die Gas-Unabhängigkeitskommission, die auch die Entstehung des Vertrages und die Möglichkeit einer Kündigung analysieren soll, hat noch keinen offiziellen Beschluss gefasst. Zu der Kommission gehören unter anderem die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs Irmgard Griss, der frühere E-Control-Vorstand Walter Boltz und Gabriel Felbermayr, der Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo.

Ein konkreter Zeitpunkt für die Veröffentlichung des Endberichts der Kommission ist noch nicht bekannt. Es wird jedoch erwartet, dass die Kommission in den nächsten Monaten ihre Arbeit fortsetzt und anschließend einen Abschlussbericht vorlegt.

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