Die europäischen Erdgaspreise haben im November einen deutlichen Anstieg verzeichnet. Der niederländische Title Transfer Facility (TTF)-Benchmark stieg um 16 % auf 46 Euro pro Megawattstunde (MWh) und erreichte damit den höchsten Stand seit über einem Jahr. Der Preisanstieg spiegelt die Herausforderungen wider, die durch eine ungewöhnliche Kältewelle, geopolitische Risiken und ein angespanntes Angebot verursacht werden.
Eine unerwartet frühe Kälteperiode in Europa und Teilen Nordamerikas hat die Heiznachfrage drastisch erhöht. Subzero-Temperaturen in Nordwesteuropa und im Nordosten der USA haben die Energienachfrage schneller steigen lassen als erwartet. Gleichzeitig hat ein Rückgang der Windenergieproduktion dazu geführt, dass Versorgungsunternehmen verstärkt auf Gaskraftwerke angewiesen sind. Dies hat die europäischen Gasspeicher unter die Marke von 90 % fallen lassen, was erstmals in diesem Jahr den Fünfjahresdurchschnitt unterschreitet.
Zudem verschärfen geopolitische Unsicherheiten die Situation. Gazprom hat kürzlich die Gaslieferungen nach Österreich eingestellt, was die Sorgen über weitere Unterbrechungen verstärkt hat. Darüber hinaus steht zum Jahresende der Ablauf eines wichtigen Transitabkommens zwischen Russland und der Ukraine bevor, das etwa 5 % des europäischen Gasbedarfs deckt. Ohne eine Einigung könnten insbesondere Länder in Mittel- und Osteuropa inmitten des Winters mit erheblichen Engpässen konfrontiert werden.
Analysten gehen davon aus, dass die Gaspreise weiter steigen könnten. Goldman Sachs hat seine Prognose für den TTF-Preis im Jahr 2025 auf 40 Euro/MWh angehoben. In extremen Szenarien – wie Verzögerungen bei LNG-Lieferungen, einer stärkeren asiatischen Nachfrage oder ungewöhnlich kaltem Wetter – könnten die Preise jedoch auf bis zu 77 Euro/MWh klettern. Solche Höchststände könnten zu einem Wechsel von Gas auf ölbetriebene Alternativen führen.
Die steigenden Gaspreise könnten erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben. Sowohl Haushalte als auch Unternehmen in Europa sehen sich mit höheren Energiekosten konfrontiert, was die wirtschaftliche Erholung bremsen und den Inflationsdruck erhöhen könnte. Besonders energieintensive Branchen wie die Chemie- und Fertigungsindustrie stehen vor der Herausforderung, ihre Wettbewerbsfähigkeit angesichts steigender Betriebskosten aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig wächst der Druck auf politische Entscheidungsträger, Subventionen anzubieten oder den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern.
Obwohl die aktuellen Preise weit unter den Rekordhöhen des Sommers 2022 liegen – als der TTF beinahe 350 Euro/MWh erreichte – verdeutlicht der jüngste Anstieg die Anfälligkeit Europas gegenüber extremen Wetterbedingungen und geopolitischen Unsicherheiten. Während der Winter vor der Tür steht, kämpft die Region mit der Balance zwischen kurzfristiger Versorgungssicherheit und langfristigen Maßnahmen zur Stabilisierung der Energiemärkte.